HEILIGE JOHANNA DER SCHLACHTHÖFE

 

Bertolt Brecht

(c) 2017 Thilo Beul

Ein blutiger Krieg ist unter Chicagos Fleischfabrikanten in Gange: Mit Insiderinformationen und Skrupellosigkeit manipuliert der Fleischerkönig Pierpont Mauler den Markt und treibt seine Konkurrenten in den Ruin, um sich selbst die Fleischerkrone aufs Haupt zu setzen. Die Fabriken stehen still und die ausgebeuteten Arbeiter rütteln als eigentliche Verlierer dieses Machtkampfes hungernd an den geschlossenen Fabriktoren. Mitten in der aufgeheizten Stimmung der drohenden Massenarbeitslosigkeit versucht Johanna Dark als Soldatin der Heilsarmee „Schwarze Strohhüte“ mit heißer Suppe und warmen Worten einen Hoffnungsschimmer in die Tristesse der Notleidenden zu bringen. Schnell muss sie einsehen, dass die Ausgebeuteten wenig empfänglich für die tröstenden Worte Gottes sind. Johanna beschließt, die Umstände von sozialer Ungerechtigkeit und Unterdrückung nicht fraglos zu akzeptieren. Sie macht sich auf die Suche nach den Ursachen des Elends und stößt auf Mauler als den führenden Vertreter des Großkapitals. Der mit allen Wassern gewaschene Mauler zeigt sich gerührt von Johannas Uneigennützigkeit und lässt sich – allzu bereitwillig – auf ihre Forderungen ein. Doch die Verwicklungen der ökonomischen Gesetze sind komplex, die Interessenlage undurchschaubar und schlussendlich macht sich Johanna unwissentlich zum Handlager des kapitalistischen Systems.

Mit schmerzlicher Aktualität legt Brecht durch das Scheitern seiner modernen Jeanne-d'Arc-Figur die Aussichtslosigkeit von Idealismus und sozialen Kompromissen im Kampf gegen Geschäftemacherei offen. Was helfen gute Absichten und fromme Worte, wenn die eigenen Taten am Ende nur zum Erhalt des Systems beitragen? Auch heute, fast 90 Jahre nach Entstehen des Werkes, hat diese Frage nichts von ihrer Brisanz eingebüßt. Nur dass in unserer globalisierten Arbeitswelt die Schauplätze der Lohnsklaverei längst aus dem Blickfeld der nimmersatten Konsumenten gerückt sind.

 

 

 

PRESSESTIMMEN


"Linnenbaum und Dramaturgin Johanna Vater haben den langatmigen Text auf gut drei Stunden konzentriert. Geradezu puristisch ohne die üblichen Bühnenmätzchen. Großes Brecht-Theater mit einem exzellenten Ensemble und bei der Premiere entsprechend gefeiert."
Tagesanzeiger, 25.09.17

"Es wirkt über einige Strecken wie fürs Heute gemacht. So derzeit zu erleben in einer ausgezeichneten Inszenierung am Theater Bonn. […] Manchem Zuseher mögen BRecht’sches und Linnenbaum’sches Elends- und Aufstandspahtos nach wie vor weltfremd erscheinen, die Systemanalyse indes trifft vielfach (wieder). Das Übrige an diesem Abend ist allemal starkes und packendes Theaterspiel.
"
Rhein-Zeitung, 25.09.2017

"Statt Brechtscher Fleischbeschau und marxistischer Gesellschaftsverwurstung extrahiert die Inszenierung das gutbürgerliche Mark aus dem alten dialektischen Lehrstück. […] Überhaupt verleiht das gesamte Ensemble der Brechtschen Wirtschaftsklamotte eine erstaunliche Leichtigkeit und vor allem Verspieltheit."
Schnüss, Dezember 2017

 

"Laura Linnenbaum lädt Brechts etwas didaktisches Stück mit tragischem Adrenalin auf, verweist auf die Entstehungszeit wie auf die Gegenwart, lässt immer wieder den christlichen Kontext anklagen und aktiviert den kapitalistischen Verwertungszusammenhang als groteske übersteigertes Feld, ohne ihn deshalb zu verniedlichen."
choices, 26.10.2017

Theater Bonn

DIE HEILIGE JOHANNA DER SCHLACHTHÖFE

Bertolt Brecht


Premiere: 22.September 2017
Regie: Laura Linnenbaum
Bühne: Valentin Baumeister
Kostüm:
David Gonter
Musik: Jonas Englert

Dramaturgie: Johanna Vater

Mit: Maike Jüttendonk, Lydia Stäubli; Wilhelm Eilers, Matthias Breitenbach, Daniel Gawlowski und Alois Reinhardt

GALERIE

(c) 2017 Thilo Beul